FLUX – Künstler*innenaustausch auf der Plattform

Im Rahmen der FLUX Plattform trafen sich im Dezember 2019 Künstler*innen und Kulturschaffende, um aus den FLUX-Residenzen im ländlichen Raum zu berichten und sich über Möglichkeiten und Wünsche in der kulturellen Arbeit auszutauschen. Die Plattform fand bereits zum fünften Mal statt und ist inzwischen fester Bestandteil des Programms von FLUX Theater und Schule, das Angebote für Kinder und Jugendlichen mit der Arbeit von Künstler*innen verknüpft. Diesmal paarte sich die Plattform mit dem Fachtag „Tanz+Theater machen stark“ zum gleichnamigen „Kultur macht stark“-Programm vom Bundesverband Freie Darstellende Künste zu einer zweitägigen Veranstaltung auf Burg Staufenberg.

Reicher Input
In einem Impulsvortrag stellte Dr. Kristin Westphal unter dem Titel „Theater der Generationen. Zur Aktualität der Künste im Morgen.“ ihre Forschung zum Thema der generationsübergreifenden Arbeit im Bereich Theater, Tanz und Performance als impulsgebenden Moment vor. In der anschließenden Gesprächsrunde unter anderem mit Janek Liebetruth von THEATERNATUR, Kai Jahns von KANALTHEATER, Ole Frahm von LIGNA und Ruby Behrmann mit STUDIO VOGELSBERG – alle waren oder sind beteiligt an einer Residenz  – wurde der (Un)Möglichkeit von zeitgenössischer Kunst im ländlichen Raum auf den Grund gegangen und sich die Frage nach Bereicherung, Störung oder Selbstermächtigung vor Ort gestellt. Mit der Darbietung des Stücks „Auf der Mauer auf der Lauer“ des Theater Joschik mit Kindern und Jugendlichen aus Lollar, das im Rahmen der Residenz in Staufenberg entstanden war, klang Tag eins der Plattform aus. Die Einstimmung zum zweiten Tag bot die Residenz Magnetfeld Eisenbach 03 bei Lauterbach mit einer Darbietung ihres Labyrinths. Anschließend stellte Prof. Dr. Wiebke Waburg ihre These zur Diversität in partizipativen Projekten vor. Dabei ging sie der Frage nach der Idealisierung des Traumpaars Partizipation & Diversität nach und betonte den Wert von Ressourcen der teilnehmenden Individuen im Arbeitsprozess. Außerdem stellte Eckhard Mittelstädt des Bundesverbandes Freie Darstellende Künste das neue Programm PEX Performing Exchange vor, ein Modellprojekt, das Vermittlungsformate entwickeln, erproben und etablieren will, um Akteur*innen von freien darstellenden Künsten in ländlichen Räumen zu unterstützen.

Berichte aus den Residenzen im Raum Vogelsberg-Gießener Umland
Ein spannender Bericht aus den sechs Künstlerresidenzen folgte dem nächsten. Manche der Residenzen hatten bereits das dritte Jahr erlebt und konnten von Möglichkeiten zum nachhaltigen Wirken erzählen, andere erlebten in ihrer ersten Residenz unterschiedliche Formen der Annäherung von Künstler*innen und Ortsansässigen.
Die Residenz Magnetfeld 03 wurde nun im dritten Jahr vom Theater Hirsch & Co durchgeführt. Gemeinsam erforschten die Künstler*innen Anka Hirsch, Nadja Soukup, Meike Goosmann und Matthias Brinkmann in 2019 Passagen, Linien, Grenzen und Räume. Dabei konfrontierten sie die Bevölkerung um Schloss Eisenbach und Lauterbach mit verschiedensten Aktionen wie einer Zollstation beim traditionellen Lauterbacher Markt oder einem durch die Arbeit mit den Kindern vor Ort ganz zufällig entstandenen Labyrinth. „Toll an der Residenz war gerade das enge Zusammensein, zusammenzuleben und sich dadurch miteinander künstlerisch zu erleben,“ resümierte Matthias Brinkmann.
Bei Auf der Mauer auf der Lauer setzte sich das Theater Joschik in Staufenberg mit Themen wie Unterwegssein und Glückssuche mit den Mitteln von Malerei, Tanz, Musik und Sprache auseinander. Die Choreografin Ekaterina Khmara berichtete von der Erwartungshaltung des Ortes, den Generationskonflikt zwischen Jung und Alt zu mildern, die gemeinsam einen Raum in friedlicher Koexistenz benutzen sollten und den Hürden, mit diesen Erwartungen künstlerisch umzugehen.
Im Studio Vogelsberg in Grebenhain entstand über den Sommer hinweg ein experimentell-dokumentarischer Episodenfilm mit dem Künstlerinnentrio Ruby Behrmann (Theaterregisseurin und -pädagogin), Evamaria Müller (Klangkünstlerin und Bühnen-/Kostümbildnerin) und Julia Novacek (Filmemacherin und Schauspielerin). Gemeinsam mit den Menschen vor Ort – alle Generationen waren beteiligt – suchten und fanden sie spannende, skurrile aber auch poetische oder traurige Geschichten um Menschen und Orte rund um Grebenhain, die in Bewegtbild festgehalten wurden. Das Projekt wurde insgesamt sehr gut vom Ort aufgenommen, was auch der abschließende Filmabend in vollem Haus bestätigte.
Die Choreografinnen Hannah Dewor und Wiebke Dröge erforschten in ihrer Residenz Denkstätte Raum in Mücke den Weg und die Bewegung der Gedanken. Dabei nahmen sie die Lagerhalle am Bahnhof Mücke in Beschlag, worin sie ihre Forschungen in einer Ausstellung zum Ausdruck brachten. Ob es an der verkehrsgünstigen Lage am Bahnhof oder am attraktiven Wandergebiet im Umfeld lag, konnte nicht geklärt werden, dennoch machten sie die Erfahrung, dass tatsächlich mehr Menschen aus ihrem Lebensumfeld in Frankfurt nach Mücke zur Ausstellung pilgerten, als die Ortsansässigen selbst, trotz mannigfacher Werbemaßnahmen. Auch wenn die Unterstützung vonseiten der Gemeinde vor Ort nichts zu wünschen übrig ließ, hatten die Anwohner*innen eher Hemmungen, etwas Neues auszuprobieren und so musste die künstlerisch gestaltete Tanzwanderung leider ausfallen.
Die Zukunfttraumsagentur Luftschlösserei des Künstlerkollektivs helfersyndrom/Institut f. Alltagsforschung, bestehend aus Steffen Popp, Jörg Thums und Rahel Seitz, befand sich nun schon im dritten Jahr im Residenzstädtchen Büdingen und referierte über die dort erlebte Zeit mit ihrer Traumforschung. In 2016 hatten waren sie bereits unterwegs, um Traumagent*innen auszubilden. In 2017 sammelten sie Träume und Zukunftsvisionen, die 2018 in einen Audiowalk durch die Stadt eingingen. 2019 schließlich nahmen sie sich die anfangs geäußerten Zukunftswünsche der Bewohner*innen zu Herzen und erschufen ein öffentliches Hallenbad mit Luftballons und ein Open-Air-Kino am Schlossgraben zum Thema Traum. Das Kollektiv konnte nach drei Jahren Erfahrung eine große Liste an Do’s und Don’ts zum Besten geben.
Schließlich berichtete Tümay Kilincel von den Erfahrungen mit der Residenz zur Vorbereitung der fünften Kinderakademie in Schotten. Gemeinsam mit Cornelius Schaper stellten sie die Thematik Selfie und Digitalität ins Zentrum der Betrachtung und forderten dazu auf, eigene Portraits zu zerlegen und neu zusammenzusetzen. Vor Ort hatte man bereits vor „schwierigen Jugendlichen“ gewarnt und es war tatsächlich kaum möglich, interessiere Teilnehmende zu finden. So musste auf die Akquise in der Schule zurückgegriffen werden, wo sich zwei Klassen zur Teilnahme bereiterklärten.
Deutlich wurde bei den Vorstellungen der Residenzen, wie unterschiedliche die Erfahrungen in den verschiedenen Disziplinen und an den verschiedenen Orten waren. Manche Orte boten sehr leichten Zugang und nahmen die Kunstschaffenden direkt und einfach in den Alltag auf, an anderen Orten hingegen traf man auf Skepsis und Berührungsängste.

Stimmen vor Ort
Natürlich sollte die Seite der Kulturschaffenden, die dauerhaft im ländlichen Raum leben und arbeiten, nicht zu kurz kommen. Ein Vertreter des Theaters OHNE DOPPELTEN BODEN aus Büdingen erzählten von den Schwierigkeiten, die dem kulturellen Leben und Schaffen massive Hürden in den Weg legten. So würde die öffentliche Bibliothek nur durch Ehrenamtliche betrieben werden können und auch bei Theaterpremieren erschiene kein Politiker, da in der aktuellen Politik kein Interesse an solcher Art der Kultur bestehe. Der Kollege vom Kulturamt in Lauterbach hingegen konnte von einer positiven Wende bei sich im Landkreis berichten, wo ein Anstieg des Interesses an kulturellen Aktivitäten zu verzeichnen sei. Natürlich sei es für kulturelle Projekte immer wichtig, den richtigen Türöffner zu finden, was ihm durch seine Stelle im Kulturamt als ehemaligem Geschäftsführer des Kulturvereins Lauterbach gut gelungen sei.

Am Schluss ein Resümee zu den FLUX Residenzen
Drei Spannungsfelder bestimmten die Schlussdiskussion: Künstler*innenseele versus Bildungsprojekt, Möglichkeiten und Grenzen im ländlichen Raum und Grundsätzliches zur Strukturierung und Kommunikation der Organisation der FLUX Residenzen.
Teilweise stellten die Künstler*innen eine hohe Erwartungshaltung in die zu leistende pädagogische Arbeit fest, die so gar nicht leistbar sei, wenn nicht gleichzeitige eine pädagogische Ausbildung seitens des/r Künstlers/in vorläge. Oft fühle es sich an, als würde man zum Objekt heruntergebrochen und als Beschäftigungstherapeut*in benutzt, anstatt als Künstler*in wertgeschätzt. Vielleicht bieten zu diesem Spannungsfeld Projekte wie das vorgestellte PEX des Bundesverbands Freie Darstellende Künste erste Ansätze zur Verbesserung.
Gerade im ländlichen Raum gäbe es gute Möglichkeiten sich künstlerisch auszubreiten – genug Fläche, bezahlbaren Leerstand. Um in gutem Zusammenspiel mit dem Umfeld zu arbeiten, spiele häufig Kontinuität eine wichtige Rolle und die nötige Waage beim Geben und Nehmen – dies sei im Übrigen im ländlichen und städtischen Raum gleichermaßen relevant.
Beim gemeinsamen Treffen hatte man durchaus festgestellt, wie fruchtbar solch ein Austausch zwischen den Residenzen sein kann, der durchaus verstärkt stattfinden könne. Auch nach stärkerer Unterstützung zur Organisation wurden Stimmen laut, da sonst die Zeit, sich auf die eigentliche Kunst zu konzentrieren, sehr verschlankt, wenn mit schwierigen Bedingungen vor Ort zu arbeiten ist. Aber grundsätzlich war man sich einig – die Residenzen sind eine tolle Erfahrung.
Und so dankte man der bisherigen Projektleiterin des Gesamtprojektes FLUX Ilona Sauer herzlichst und verabschiedete sie mit einem gemeinsamen Ständchen und begrüßte das neue Leitungsduo Katharina Speckmann und Ines Wuttke.
si

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